Seh- und Hörbehinderte sehen sich an Hochschulen mit vielen Hürden konfrontiert. Im Rahmen der projektgebundenen Beträge des Bundes will ihnen ein Forscherteam das Studium erleichtern.
Im Hintergrund sieht man ein kleines Kind, das am ganzen Körper zuckt. Gleichzeitig gibt ein Arzt Erklärungen zum Wund-Starrkrampf ab. Mit diesem Film will das Bundesamt für Gesundheit die Bevölkerung für die Tetanus-Impfung gewinnen. Wie aber kann man damit auch Sehbehinderte erreichen? Sie können zwar die Ausführungen hören. Die emotionale Botschaft, die mit den Bildern transportiert wird, bleibt ihnen jedoch verwehrt.
Mit solchen Fragen befasst sich derzeit ein Team der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Forschenden des Instituts Übersetzen und Dolmetschen wollen gemeinsam mit Fachkollegen der Universität Genf ein Nationales Kompetenzzentrum für Barrierefreie Kommunikation aufbauen. Im Fokus stehen Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen, mit temporären kognitiven Beeinträchtigungen, wie sie etwa bei schweren Erkrankungen oder in persönlichen Belastungssituationen auftreten können, sowie Fremdsprachige. Ihnen soll der Zugang zu einem Hochschul-Studium erleichtert werden.
Emotionale Bilder beschreiben
Am Beispiel des Kampagnen-Films für die Tetanus-Impfung will man herausfinden, wie Lehrfilme für Sehbehinderte verbessert werden können. Bei der Versprachlichung von Spielfilmen habe man bereits viel Erfahrung, sagt Projektleiterin Susanne Jekat, die in diesem Bereich mit dem Schweizer Fernsehen zusammengearbeitet hat. Populäre Sendungen wie der „Tatort“ oder „der Bestatter“ werden heute für Sehbehinderte aufbereitet. Die in den Bildern enthaltenen Informationen und Eindrücke werden für sie vertextet und zwischen den Dialogen eingefügt. Sind die Lücken in der Originalversion zu kurz, müssen die Dialoge komprimiert werden. Dabei darf der Spannungsaufbau nicht verloren gehen. Zwar gibt es auf dem Markt bereits sogenannte Audiodeskriptionsprogramme, welche die Übersetzung von Bildern unterstützen. Diese sind aber teuer und eignen sich eher für Spielfilme als für Lehrfilme, bei denen die Wissensvermittlung im Vordergrund steht.
Gebärdender Avatar
Weitere Teile des Projekts widmen sich zum Beispiel der maschinellen Übersetzung von gesprochener in Gebärdensprache. Ein entsprechendes System mit einem Avatar wurde an der Universität Genf bereits entwickelt und soll nun für gehörlose Studierende erweitert werden. Ein Forschungsgebiet ist zudem die Einfache Sprache: Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Lernschwierigkeiten oder für Fremdsprachige sollen Fachtexte vereinfacht werden.
In einer ersten Phase verschaffen sich die Forschenden einen Überblick der bereits bestehenden technischen Hilfsmittel und wissenschaftlichen Erkenntnisse. Danach werde diese von Nutzern getestet und für den Gebrauch an Hochschulen adaptiert.
Service für alle Hochschulen
Das Projekt zugunsten Studierender mit Beeinträchtigung wird vom Bund im Rahmen der Projektgebundenen Beiträge 2017-2020 mit 578 000 Franken unterstützt. Insgesamt stehen knapp 225 Millionen Franken für 18 Projekte und Programme zur Verfügung. Das bekannteste davon dürfte wohl jenes für die Erhöhung der Ausbildungsplätze in der Humanmedizin sein, das mit 100 Millionen Franken allein fast die Hälfte des Budgets verschlingt.
Gemäss Vorgabe müssen die Innovationen von gesamtschweizerischer hochschulpolitischer Bedeutung sein, wie auch mit dem geplanten Kompetenzzentrum für Barrierefreie Kommunikation angestrebt wird: „Es soll eine Anlaufstelle werden, an die sich jede Hochschule wenden kann, um die Bedürfnisse ihrer diversen Studierenden mit Beeinträchtigung abzudecken“, erklärt Susanne Jekat.