Nationalrat lehnt Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmenden ab

Der Nationalrat hat es heute abgelehnt, auf die parlamentarische Initiative Grossen einzutreten. Diese hätte zur Folge gehabt, dass Arbeitnehmende vermehrt als Selbständige eingestuft worden wären. Dadurch wären sie nicht mehr gegen Arbeitslosigkeit oder Unfall versichert gewesen. Auch das Arbeitsgesetz und die ausgehandelten Minimallöhne aus Gesamtarbeitsverträgen hätten für sie keine Bedeutung mehr gehabt. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, zeigt sich erleichtert darüber, dass die Mehrheit des Nationalrats diesen Frontalangriff auf die soziale Sicherheit, die Rechte von Arbeitnehmenden und den Lohnschutz nicht unterstützt.
Der Nationalrat ist heute nicht auf die parlamentarische Initiative Grossen eingetreten. Dies, obwohl eine Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) das Anliegen noch mehrheitlich unterstützt hatte. Die parlamentarische Initiative zielte darauf ab, dass eine vereinbarte Selbständigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden entscheidend dafür sein könnte, ob Arbeitnehmende als selbständig oder unselbständig eingestuft werden. Die aktuelle und funktionierende Praxis sieht hingegen vor, dass in erster Linie objektive Kriterien für die Feststellung einer Selbständigkeit berücksichtigt werden.
«Diese objektiven Kriterien sind von zentraler Bedeutung, denn Arbeitnehmende, die sich in einer schwächeren Position befinden, sind oftmals bereit, eine Einstufung als Selbstständige zu akzeptieren», so Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik. «Fälle von Scheinselbständigkeit sind entsprechend verbreitet, etwa im Baunebengewerbe, bei Coiffeuren, in der Reinigung oder bei Chauffeuren. Mit der parlamentarischen Initiative wäre diese Scheinselbständigkeit teilweise legalisiert worden», so Thomas Bauer.
Die Folgen einer Annahme der parlamentarischen Initiative wären für die betroffenen Arbeitnehmenden gravierend gewesen: Keine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, keine Versicherung gegen Unfall, keine Beiträge des Arbeitgebers an die berufliche Vorsorge. Auch das Arbeitsgesetz und darin festgehaltene Höchstarbeitszeiten oder Ruhezeiten hätten für die betroffenen Arbeitnehmenden nicht mehr gegolten. Auch für den Lohnschutz in der Schweiz wären die Folgen weitreichend gewesen. Da in der Schweiz kein nationaler Mindestlohn gilt, sind die in Gesamtarbeitsverträgen ausgehandelten minimalen Löhne von zentraler Bedeutung. Selbständige sind den Gesamtarbeitsverträgen allerdings ebenso wenig unterstellt wie dem Entsendegesetz. Sie müssen sich folglich weder an die Minimallöhne noch an die orts-, berufs- und branchenüblichen Löhne halten. Scheinselbstständigkeit ist deshalb eine verbreitete Strategie für Lohndumping, auch unter Beizug entsprechender Abmachungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. Die parlamentarische Initiative Grossen hätte folglich den Lohnschutz in der Schweiz empfindlich geschwächt.
Mit dem wichtigen Entscheid des Nationalrates ist die parlamentarische Initiative Grossen erledigt. Travail.Suisse begrüsst diesen Entscheid und zeigt sich erleichtert, dass dieser Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmenden abgewehrt wurde.