Berufsbildung: Die Verbundpartnerschaft auch in der Krise hochhalten
Die Berufsbildung ist nach dem Berufsbildungsgesetz (vgl. Art. 1) eine verbundpartnerschaftliche Aufgabe. Das heisst, Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt (OdA) sind im Grundsatz verpflichtet, bei der Lösung von Problemen in der Berufsbildung zusammenzuarbeiten und die gemeinsamen Lösungen in ihrem Wirkungsbereich umzusetzen. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, betont die Wichtigkeit, an diesem Grundsatz auch in der Corona-Krise festzuhalten und keinen Sonderzug zu fahren.
Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf die Berufsbildung. Angesichts der Gesundheitsvorschriften des Bundes können zum Beispiel die Qualifikationsverfahren nicht wie üblich durchgeführt werden. Aber auch der reguläre Ablauf des Berufswahlprozesses (z.B. Schnupperlehren, Bewerbungsgespräche etc.) ist stark gestört. Zudem gibt es Branchen, in denen es aufgrund von Personalmangel zu Mehreinsätzen von Lernenden kommen kann (Gesundheit/Pflege, Detailhandel, Betreuung, Logistik). In anderen hingegen gibt es befristete Betriebsschliessungen (Coiffeurgeschäfte, Gastrobetriebe, unterschiedliche Verkaufsläden), wodurch die Lernenden zuhause bleiben müssen. Oder es kommt gar zu Konkursen, so dass die Lernenden ihre Lehrstelle verlieren. Durch diese Situationen ist die Berufsbildung herausgefordert. Was hat sie zu tun?
Nationale Projektorganisation aufgebaut
Die Verbundpartner haben auf nationaler Ebene eine Projektorganisation aufgebaut, um für die anstehenden und drängenden Probleme und Herausforderungen gemeinsame Lösungen zu finden. Aus Sicht von Travail.Suisse ist das genau der richtige Weg. Das Funktionieren dieser Struktur setzt jedoch voraus, dass alle Beteiligten bereit sind, ihre Interessen und Ideen einzubringen und zugunsten einer gemeinsamen nationalen Lösung Kompromisse eingehen. Nur so kann verhindert werden, dass ein kantonaler Flickenteppich von Lösungen entsteht, der die Berufsbildung schwächt und zu Ungleichbehandlungen von Lernenden führt.
Ziele der nationalen Lösungen
Die nationalen Kompromisslösungen müssen aus Sicht von Travail.Suisse dabei die folgenden Ziele anvisieren:
- Die Lernenden des letzten Lehrjahres müssen im Sommer zu einem in ihrer Branche anerkannten Lehrabschluss kommen, der es ihnen erlaubt, sich auf Stellen im ersten Arbeitsmarkt zu bewerben.
- Die Schulabgänger und -abgängerinnen der obligatorischen Schule brauchen eine Anschlusslösung auf der Sekundarstufe 2, also zum Beispiel einen Lehrvertrag. Es muss verhindert werden, dass es zu einer erhöhten Jugenderwerbslosigkeit kommt.
- Lernende, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation ihres Betriebes ihre Lehrstelle verlieren, brauchen Anschlusslösungen, damit sie nicht aus dem Berufsbildungssystem fallen und ohne Sek-2-Abschluss bleiben.
- Lernende dürfen aufgrund der besonderen Situation (Mehreinsätze am Arbeitsplatz, keinen Zugang zum Arbeitsplatz, keinen Zugang zu überbetrieblichen Kursen, Benachteiligung im Distance Learning) in der Corona-Krise auf keinen Fall die Berufsbildungsziele verpassen.
- Die Betriebe sind auf Nachwuchs angewiesen. Auch 2020 müssen sie genügend Lernende rekrutieren können.
- Auch die Erwachsenen in der Berufsbildung sollen in nützlicher Frist zu dem von ihnen angestrebten Berufsabschluss kommen.
Die Verbundpartnerschaft hat Antworten darauf zu geben, und zwar angesichts der Situation, dass
a) die Branchen sich in unterschiedlichen Situationen befinden und
b) niemand weiss, wann wir wieder mit Normalität rechnen können.
Die Verbundpartnerschaft hat jetzt die Chance zu zeigen, wie gut sie funktioniert. Für die Jugendlichen und für ihre Zukunft müssen tragfähige Kompromisslösungen entstehen.